DOKUMENTATION: Thusnelda Allee Lenne Dreieck Wahltag


Lenné-Dreieck - Kubat-Dreieck

Tag des offenen Denkmal Berlin

Pressemitteilung

Die STADTFORSCHER beteiligen sich am Tag des offenen Denkmals 2006. Das wohl ungewöhnlichste Ereignis, das je an der Mauer stattfand, wird zum Ausgangspunkt für eine Begehung des Original-Schauplatzes.

Lenné-Dreieck - das sagenhafte Dreieck

180 Personen kletterten über die Berliner Mauer und flüchteten von West- nach Ost-Berlin. Am 1. Juli 1988 ereignete sich wohl eine der merkwürdigsten Begebenheiten an dem ehemaligen Grenzverlauf. Am Lenné-Dreieck, dem Ort des Geschehens, laden wir zu Einblicken in Motivation und Hintergründe des Sachverhalts um 'das sagenhafte Dreieck' ein. Dreißig Jahre Verkehrsplanung, eine zweimonatige Besetzung des Gebiets als 'Norbert-Kubat-Dreieck' und eine geschichtlich einmalige Flucht stehen als Zeitdokumente der geteilten Stadt. Die Führung der STADTFORSCHER bildet die Grundlage für einen offiziellen Antrag zur Errichtung eines Denkmals an diesem Ort, damit die Ereignisse für die Öffentlichkeit in Zukunft präsent und zugänglich sind.

Das Lenné-Dreieck wird in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz durch die Lennéstr., Bellevuestr. und Ebertstr. eingerahmt. Die Verortung auf dem Stadtplan: Lenné-Dreieck bzw. Kubat-Dreieck.




Zum Hintergrund:

Das Lenné-Dreieck gehörte nach der Aufteilung Berlins in die vier Sektoren zur sowjetischen Besatzungszone. Nach dem Mauerbau 1961 lag es jedoch auf der Westberliner Seite der Mauer und war nur durch einen Zaun als Staatsgebiet der DDR gekennzeichnet. Diese Lösung hatte wohl rein pragmatische Hintergründe. Zum einen sparte man Material, zum anderen konnte man diesen Grenzstreifen zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz als eine durchgehende Linie viel besser überwachen.

Schon seit den 50er Jahren gab es in Westberlin Pläne für eine neue Infrastruktur der Verkehrswege. Ein Teil der Stadtautobahn sollte als die so genannte 'Westtangente' von Schöneberg, über den Tiergarten (Lenné-Dreieck) in Richtung Wedding führen. Daher bemühte sich der Senat um den Ankauf dieses Areals bzw. einen Gebietstausch.

Am 31. März 1988 wurde ein umfangreicher Gebietsaustausch zwischen Westberlin und der DDR vereinbart, bei dem insgesamt 16 Flächen (Enklaven / Exklaven) ausgetauscht wurden. Westberlin zahlte zusätzlich 76 Mio. DM. Der Stichtag für den Austausch war der 01. Juli 1988.

Als unberührtes Gebiet hatte entwickelte sich das Lenné-Dreieck von 1961 - 1988 zu einem Öko-Biotop, auf dem sich 161 verschiedene Pflanzen angesiedelt hatten.

Am 26. Mai wurde das Lenné-Dreieck von Umweltschützern und Autonomen besetzt und in Kubat-Dreieck umbenannt, nach Norbert Kubat - der genau auf den Tag, ein Jahr zuvor, in der Untersuchungshaft Selbstmord begangen hatte. Er war erst kurz zuvor aus der DDR ausgebürgert worden und erlebte im Rahmen der Demonstrationen zum 01. Mai 1987 die Plünderungen eines Supermarktes in Berlin-Kreuzberg mit. Als er diese Zeitzeugenberichte bei einer Polizeikontrolle angab, wurde er festgenommen.

Im Zeitraum von der Besetzung bis zur Übergabe des Lenné-Dreiecks wuchs auf dem Gebiet ein Hüttendorf heran. Das Kubat-Dreieck wurde zum rechtsfreien Raum proklamiert. Dies war dem Berliner Senat - gerade aufgrund des hohen Touristenaufkommens im Jahr der Kulturhauptstadt Europas - ein Dorn im Auge. Eine Konfrontation war unausweichlich. Die Geschehnisse am Kubat-Dreieck füllten tagtäglich die Titelseiten der Zeitungen.

Als Mittel zur Isolierung und Kontrolle der Besetzer wurde das Lenné-Dreieck von der Westberliner Polizei eingezäunt. Auf das Areal selber konnten sie nicht zugreifen, da es bis zur vertraglichen Übergabe zum Staatsgebiet der DDR gehörte - was die Polizei jedoch nicht daran hinderte, von Aussen Wasserwerfer einzusetzen. Das Kubat-Dreieck wandelte sich vom Dorf zur Festung. Am 20. Juni eskalierte die Situation: Die Polizei beschoss in einem Großeinsatz das Gebiet des Kubat-Dreiecks und deren Besetzer mit über 1000 Kartuschen Tränengas. Drei Tage später kam die Reaktion seitens der Besetzer. In einem Gegenangriff gelang es Ihnen unter Einsatz von Molotowcocktails einen Großteil der Umzäunung niederzureißen.

Am frühen Morgen des 01. Juli 1988 kam es dann zur endgültigen Räumung des Areals. Ein Teil der Besetzer hatte sich dafür entschieden, die Polizei ins Leere laufen zu lassen und auf das Staatsgebiet der DDR zu flüchten. So kam es zu der einmaligen Flucht von West nach Ost - ungefähr 180 Personen kletterten auf die Mauer und sprangen in den Ostteil von Berlin.